Antifaschistisches Schutz-Institut
für reflexive Gesellschaftsethik
Strategiepapier:
Umgang mit strukturellem Extremismus und ungerechter Exklusion in selbstverwalteten Kontexten
Antifaschistisches Schutz-Institut (as-institut.de), Mai 2025
1. Einleitung
1.1 Zielsetzung und Adressat:innen
Dieses Strategiepapier richtet sich an Menschen, die in Gruppen, Initiativen oder Bewegungen tätig sind und von Ausgrenzung, Machtmissbrauch oder strukturellem Extremismus betroffen wurden – unabhängig davon, ob dies in politischen, sozialen, kulturellen oder aktivistischen Kontexten geschah.
Das Papier möchte:
- konkrete Orientierung bieten,
- die rechtlichen und ethischen Grundlagen beleuchten,
- Wege zu Schutz, Selbstbehauptung und konstruktiver Konfliktlösung aufzeigen.
Adressiert werden:
- Betroffene von Ausschluss, Rufschädigung oder Mobbing,
- Vertrauenspersonen, Moderator:innen, Awareness-Teams,
- Verantwortliche in Gruppen und Organisationen,
- alle, die zur Stärkung gerechter, transparenter Verfahren beitragen wollen.
1.2 Hintergrund und Relevanz
Immer mehr selbstorganisierte Gruppen – von politischen Kollektiven bis hin zu Vereinen oder Kulturinitiativen – sehen sich mit internen Konflikten konfrontiert. Häufig eskalieren diese zu Ausschlüssen, Machtkämpfen und autoritären Dynamiken, ohne dass faire Verfahren oder externe Moderation gewährleistet sind.
Gerade dort, wo der Anspruch auf Solidarität, Teilhabe und Gerechtigkeit besonders hoch ist, führen unreflektierte Machtkonzentration und ungeprüfte Vorwürfe zu schwerwiegenden Folgen für Einzelne und für das gemeinsame Anliegen. Auch der inflationäre oder willkürliche Einsatz von Awareness-Strukturen kann – entgegen ihrer eigentlichen Intention – zur Ausgrenzung und Entsolidarisierung beitragen.
Warum dieses Papier wichtig ist:
Die Bewältigung von Konflikten und die Sicherung von Gerechtigkeit sind Kernanliegen jeder demokratischen und menschenrechtsbasierten Gemeinschaft. Wer Strukturen entwickelt, um Ausgrenzung, Machtmissbrauch und ungerechte Verfahren zu verhindern, schützt nicht nur Einzelne, sondern erhält die Integrität und Handlungsfähigkeit ganzer Gruppen.
1.3 Wichtige Begriffe und ihre Bedeutung
- Struktureller Extremismus: Bedeutet, dass eine Gruppe, ein Gremium oder eine Organisation bestimmte Regeln, Haltungen oder Machtverhältnisse so entwickelt, dass sie am Ende undemokratisch, ausgrenzend oder sogar gewaltvoll werden – ohne dass dies immer sofort sichtbar ist. Gemeint ist nicht automatisch „rechts“ oder „links“, sondern jede Form von Ausgrenzung und ungerechter Behandlung, die strukturell bedingt ist.
- Exklusion: Ausschluss oder Ausgrenzung – etwa durch Entfernen aus einer Gruppe, Nicht-Einladen, Ignorieren oder systematische Benachteiligung, offen oder verdeckt.
- Awareness: (Bewusstheit, Achtsamkeit) – Aufmerksamkeit für Wohlergehen und Grenzen aller Beteiligten; Schutz vor Übergriffen oder Diskriminierung. Awareness kann aber auch missbraucht werden, z. B. um Kritik zu verhindern.
- Machtmissbrauch: Ausnutzen von Position oder Einfluss, um anderen zu schaden, sie zu unterdrücken oder auszugrenzen – offen oder subtil (z. B. durch Informationskontrolle, Deutungshoheit).
- Selbstorganisierte Gruppe: Gruppen ohne feste Hierarchie, z. B. politische Kollektive, Vereine, studentische Gruppen oder subkulturelle Szenen. Auch hier gibt es Macht, Verantwortung und manchmal Ausgrenzung.
- Gerechtigkeit / Fairness: Alle sollen die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, sich einzubringen und gehört zu werden – unabhängig von Status, Meinung oder Hintergrund.
1.4 Aufbau des Strategiepapiers
- Analyse typischer Dynamiken autoritärer Eskalation und ungerechter Ausgrenzung
- Hinweise zu Rechten, Schutzinteressen und Dokumentationsmöglichkeiten
- Konkrete Empfehlungen für Deeskalation, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
- Anleitungen für rechtliche Schritte und psychosozialen Selbstschutz
- Impulse zur Entwicklung gerechter Gruppenstrukturen und Präventionsmaßnahmen
Ziel ist es, Menschen in schwierigen Situationen zu befähigen, ihre Rechte wahrzunehmen, sich gegen unfaire Behandlung zur Wehr zu setzen und zu einer solidarischen, demokratischen Konfliktkultur beizutragen.
2. Situationsanalyse
2.1 Typische Dynamiken bei Konflikten und Ausschlüssen
In vielen selbstorganisierten Gruppen und Initiativen entstehen immer wieder Konflikte. Das ist normal, weil Menschen unterschiedlich sind, verschiedene Erfahrungen haben und manchmal andere Vorstellungen davon, wie Dinge laufen sollten.
Kritisch wird es aber, wenn Konflikte nicht mehr offen und fair besprochen werden, sondern sich unsichtbare Muster und festgefahrene Abläufe entwickeln, die einzelne Menschen ausgrenzen oder ganze Gruppen spalten.
Typische Merkmale solcher Dynamiken sind:
- Schweigen statt Reden: Probleme werden nicht offen angesprochen, sondern „hinter verschlossenen Türen“ diskutiert. Betroffene erfahren oft erst spät, dass über sie gesprochen wird.
- Gerüchte und Verdächtigungen: Es werden Annahmen oder Behauptungen über Einzelne verbreitet, ohne dass diese die Möglichkeit haben, sich zu erklären.
- Schnelle Parteinahme: Gruppen stellen sich schnell auf eine Seite, ohne genau zu prüfen, was wirklich passiert ist.
- Ausschluss ohne Klärung: Menschen werden von Treffen, Chats oder Entscheidungen ausgeschlossen, oft ohne faires Verfahren oder klare Begründung.
- Angst vor Widerspruch: Wer eine andere Meinung äußert oder nachfragt, wird als Störenfried oder sogar als „Täter“ dargestellt.
2.2 Wie Machtkonzentration und Ausschlusslogik entstehen
Auch in Gruppen ohne formelle Hierarchie können sich Macht und Einfluss ansammeln. Oft passiert das durch:
- Informelle Netzwerke: Wer lange dabei ist, gut vernetzt ist oder bestimmte Aufgaben kontrolliert (z. B. Adminrechte in Chats), hat oft mehr Einfluss als andere.
- Definitionsmacht: Einzelne oder kleine Gruppen legen fest, wie Begriffe verstanden werden und was als „richtig“ oder „falsch“ gilt. Wer dagegenhält, wird schnell ausgegrenzt.
- Kontrolle über Informationen: Wer bestimmt, welche Nachrichten, Protokolle oder Vorwürfe weitergegeben werden, kann den Diskurs lenken.
2.3 Rolle von Awareness und Definitionsmacht
Awareness soll eigentlich dazu dienen, die Schwächeren zu schützen und für ein gutes, respektvolles Miteinander zu sorgen.
In der Praxis kann Awareness aber auch missbraucht werden, zum Beispiel wenn sie zur Rechtfertigung von Ausschlüssen oder als Mittel zur „Stilllegung“ unliebsamer Personen verwendet wird. Definitionsmacht entsteht dann, wenn wenige bestimmen, was als Übergriff gilt, wer als „Betroffene:r“ zählt oder was als „toxisch“ eingestuft wird. Dadurch können auch ungerechtfertigte Vorwürfe zu schnellen Ausschlüssen führen.
2.4 Was sind die Folgen für Betroffene und Gruppen?
Für die ausgeschlossenen oder angegriffenen Menschen bedeutet das oft:
- Isolation: Freundschaften und Vertrauensverhältnisse brechen weg, Kontakte werden gekappt.
- Rufschädigung: Im Umfeld machen Gerüchte die Runde, die schwer oder gar nicht zu widerlegen sind.
- Ohnmacht und Stress: Viele Betroffene fühlen sich machtlos, unverstanden oder resignieren.
- Verlust an Vertrauen: Andere haben Angst, selbst ausgeschlossen zu werden, oder ziehen sich zurück.
- Spaltung: Die Gruppe zerfällt in Lager, die nicht mehr miteinander sprechen.
- Politische Wirkungslosigkeit: Die eigentlichen Ziele der Gruppe geraten in den Hintergrund, es bleibt nur Streit und Stillstand.
3. Rechte und Schutzinteressen Betroffener
3.1 Grundrechte und Persönlichkeitsschutz
Jede Person – unabhängig von Status, Meinung oder Rolle in einer Gruppe – hat grundlegende Rechte. Dazu zählen:
- Schutz der eigenen Würde und Privatheit: Niemand darf gegen seinen Willen bloßgestellt, ausgegrenzt oder diffamiert werden.
- Recht auf Gehör und Verteidigung: Jede:r hat das Recht, Stellung zu beziehen und seine Sichtweise darzulegen, bevor über ihn oder sie geurteilt wird.
- Unschuldsvermutung: Bis zum Nachweis eines klaren Fehlverhaltens gilt, dass niemand ohne Beweise und faires Verfahren vorverurteilt werden darf.
3.2 Typische Risiken bei Interventionen und „Schutzmaßnahmen“
Gerade bei plötzlichen, emotional aufgeladenen Situationen – zum Beispiel bei Verdacht auf Übergriff, Machtmissbrauch oder Bedrohung – greifen viele Gruppen zu schnellen Maßnahmen. Das kann sinnvoll sein, um Gefahren abzuwehren. Doch oft entstehen daraus neue Probleme, wenn:
- Entscheidungen ohne vollständige Informationen getroffen werden,
- die Seite der beschuldigten Person nicht gehört wird,
- die Zeitnot als Vorwand genutzt wird, demokratische Regeln zu umgehen.
Beispiel 1: Öffentliche Namensnennung
In der Aufregung über einen mutmaßlichen Vorfall wird der Name einer Person sofort in Chatgruppen, E-Mails oder auf Plakaten öffentlich gemacht – oft mit dem Zusatz „Vorsicht, Täter!“ oder „Gefährlich!“.
Folge: Die beschuldigte Person verliert ihr soziales Umfeld, wird gemieden und kann sich meist nicht mehr wehren – selbst wenn sich die Vorwürfe später als falsch oder übertrieben herausstellen.
Beispiel 2: Täterzuschreibungen ohne Urteil
Nicht selten wird schon nach ersten Anschuldigungen von „Täter“ und „Opfer“ gesprochen, ohne dass ein neutrales Gespräch oder eine unabhängige Klärung stattgefunden hat.
Folge: Die Gruppe verfestigt diese Zuschreibungen. Andere übernehmen die Sichtweise, und die beschuldigte Person bekommt keine Chance mehr auf Rehabilitation – unabhängig davon, was tatsächlich geschehen ist.
Beispiel 3: Selbstverstärkende Gruppendynamik
Sobald sich eine Deutung („Gefahr!“, „Übergriff!“, „Täter!“) etabliert hat, entsteht in der Gruppe ein starker Druck, sich anzuschließen und sich von der betroffenen Person zu distanzieren. Kritik oder Rückfragen werden dann als Angriff auf die Gruppe interpretiert.
Folge: Eine faire, offene Klärung ist kaum noch möglich. Auch Unbeteiligte oder ursprünglich neutrale Personen werden mitgezogen – bis die Situation völlig eskaliert oder sogar Strafanzeigen gegen Einzelne folgen.
Beispiel 4: Rechtliche Folgen für alle Beteiligten
Wenn Namen und schwere Vorwürfe öffentlich kursieren, kommt es nicht selten vor, dass betroffene Personen oder deren Angehörige rechtliche Schritte einleiten – etwa wegen übler Nachrede, Verleumdung oder Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Folge: Die ursprünglich „gut gemeinte“ Schutzmaßnahme führt zu juristischen Auseinandersetzungen, Anzeigen und oft zu lang anhaltenden Konflikten, die allen Beteiligten schaden.
3.3 Verantwortung und Weitsicht – Was ist zu beachten?
- Jede Schutzmaßnahme muss auch die Rechte der beschuldigten Person berücksichtigen.
- Zeitdruck und emotionale Betroffenheit sind keine Rechtfertigung für überhastete, undurchdachte Schritte.
- Vor einer Veröffentlichung von Namen oder Anschuldigungen sollte immer geprüft werden, ob dies wirklich notwendig und verhältnismäßig ist – und welche Folgen daraus entstehen können.
- Unabhängige Moderation oder Beratung durch außenstehende Fachpersonen kann helfen, den Überblick zu behalten und Fehler zu vermeiden.
3.4 Fazit
Schnelle Eingriffe aus Schutzmotiven können – wenn sie ohne Sorgfalt, Transparenz und faire Verfahren ablaufen – großen Schaden anrichten.
Sie gefährden nicht nur das Wohl einzelner Menschen, sondern auch das Vertrauen, die Glaubwürdigkeit und die Integrität ganzer Gruppen oder Bewegungen.
Ein achtsamer, reflektierter Umgang mit Verdachtsmomenten, eine sorgfältige Abwägung der Rechte aller und die Bereitschaft zu offener, unabhängiger Klärung sind unerlässlich für gerechte und solidarische Strukturen.
4. Dokumentation und Nachweisführung
4.1 Warum ist Dokumentation so wichtig?
Wer von Vorwürfen, Ausgrenzung oder Rufschädigung betroffen ist, erlebt häufig eine Situation, in der „Aussage gegen Aussage“ steht – oft begleitet von Gerüchten, Halbwissen und emotionaler Aufladung.
Gerade in solchen Situationen hilft eine möglichst lückenlose Dokumentation dabei,
- die eigenen Rechte zu sichern,
- spätere Behauptungen oder Vorwürfe zu überprüfen,
- eventuelle rechtliche oder organisatorische Schritte vorzubereiten.
4.2 Was sollte dokumentiert werden?
- Zeitpunkte und Abläufe: Notieren Sie alle relevanten Daten und Uhrzeiten (z. B. wann fanden Gespräche, Ausschlüsse, wichtige Nachrichten statt?).
- Beteiligte Personen: Halten Sie fest, wer jeweils beteiligt war, wer etwas entschieden oder mitgeteilt hat.
- Wortlaut von Nachrichten, E-Mails, Chatverläufen: Kopieren oder speichern Sie relevante Passagen, machen Sie Screenshots (achten Sie dabei auf Datenschutz und Vertraulichkeit).
- Mündliche Gespräche und Treffen: Schreiben Sie zeitnah ein Gedächtnisprotokoll. Auch kurze Notizen zu Inhalt, Stimmung, Reaktionen sind hilfreich.
- Entstandene Dokumente: Speichern Sie E-Mails, Protokolle, Flyer, Aushänge und alle weiteren Materialien, die im Zusammenhang mit dem Konflikt stehen.
4.3 Wie dokumentiert man richtig?
- Chronologisch ordnen: Führen Sie ein fortlaufendes Tagebuch oder eine Liste der Ereignisse in zeitlicher Reihenfolge.
- Sachlich bleiben: Beschreiben Sie möglichst neutral, was gesagt oder getan wurde, ohne Interpretationen oder Bewertungen hinzuzufügen.
- Beweissicherung: Speichern Sie Originaldateien (Chats, E-Mails, Screenshots) sicher ab – möglichst mit Datum/Uhrzeit und ggf. technischen Details (z. B. Headerdaten bei E-Mails).
- Zugriffsrechte beachten: Achten Sie darauf, keine vertraulichen Informationen Dritter unnötig weiterzugeben, um sich nicht selbst angreifbar zu machen.
4.4 Was tun mit Chatverläufen, Protokollen und Zeug:innen?
- Chatverläufe und Protokolle: Sichern Sie wichtige Passagen frühzeitig ab, da sie in Gruppenchats oder bei Löschung verloren gehen können.
- Zeug:innen: Wenn andere die Vorgänge beobachtet haben, bitten Sie sie (wenn möglich), ein kurzes eigenes Protokoll oder eine Bestätigung zu schreiben. Auch informelle Unterstützungsbekundungen (z. B. per Nachricht) können nützlich sein.
- Keine Manipulation: Verändern oder fälschen Sie keine Dokumente. Die eigene Glaubwürdigkeit hängt entscheidend von der Authentizität der Unterlagen ab.
4.5 Datenschutz und Vertraulichkeit
- Eigene Daten: Sie dürfen Vorgänge, die Sie selbst betreffen, grundsätzlich für den Eigengebrauch sichern.
- Daten Dritter: Wenn Sie personenbezogene Daten Dritter weitergeben (z. B. als Beweismittel), achten Sie auf deren Schutz und verwenden Sie diese nur im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten oder mit Einwilligung.
- Veröffentlichung: Das Veröffentlichen von Chatverläufen oder personenbezogenen Daten kann rechtliche Folgen haben. Vor Veröffentlichung oder Weitergabe an Dritte sollte möglichst juristischer Rat eingeholt werden.
4.6 Was tun im Konfliktfall?
- Dokumentation regelmäßig aktualisieren: Ergänzen Sie laufend alle neuen Ereignisse, auch kleine Details können später wichtig sein.
- Sicher abspeichern: Nutzen Sie sichere Speicherorte, zu denen nur Sie Zugang haben (verschlüsselte Festplatte, Cloud mit Zwei-Faktor-Authentifizierung etc.).
- Auf professionelle Beratung zurückgreifen: Wenn Sie das Gefühl haben, der Konflikt eskaliert oder rechtliche Schritte sind absehbar, holen Sie möglichst früh externen Rat ein (Rechtsberatung, Vertrauensperson, Ombudsstelle).
Eine sorgfältige Dokumentation ist der beste Schutz gegen Missverständnisse, Verdächtigungen und spätere Verdrehungen. Sie schafft die Grundlage für eine faire Klärung – intern, öffentlich oder vor Gericht.
5. Strategien der Deeskalation und Konfliktlösung
5.1 Warum ist Deeskalation wichtig?
Konflikte lassen sich in Gruppen und Initiativen nicht immer vermeiden. Entscheidend ist, wie mit ihnen umgegangen wird. Deeskalation bedeutet, Spannungen und Missverständnisse abzubauen, damit Lösungen gefunden werden können, ohne dass Menschen ausgeschlossen oder dauerhaft verletzt werden.
Ein gutes Konfliktmanagement schützt die Gruppe vor Spaltung und Einzelne vor ungerechter Behandlung.
5.2 Gesprächsangebote und Dialog ermöglichen
- Frühzeitige Ansprache: Suchen Sie das Gespräch mit den Beteiligten möglichst frühzeitig, noch bevor sich Fronten verhärten. Ein ruhiges, wertschätzendes Gespräch kann Missverständnisse klären, bevor sie zu echten Problemen werden.
- Direkte, respektvolle Kommunikation: Formulieren Sie Kritik sachlich, schildern Sie eigene Eindrücke („Ich habe wahrgenommen...“) und vermeiden Sie Schuldzuweisungen.
- Aktives Zuhören: Lassen Sie andere ausreden und versuchen Sie, deren Sichtweise zu verstehen, auch wenn Sie nicht zustimmen.
5.3 Vermittlung und Mediation
- Vermittlung innerhalb der Gruppe: Suchen Sie gemeinsam nach Personen, die neutral sind und vermitteln können. Moderierte Gespräche fördern ein faires Klima und erleichtern Klärungen.
- Externe Mediation: Wenn die Gruppe festgefahren ist oder alle Beteiligten emotional sehr belastet sind, kann eine unabhängige Mediationsstelle helfen. Diese ist außenstehend, neutral und professionell ausgebildet.
- Rolle von Awareness-Teams: Awareness-Teams sollten für alle Seiten ansprechbar und transparent sein. Ihre Aufgabe ist Vermittlung, nicht Parteinahme.
5.4 Umgang mit verweigerter Kommunikation
- Dokumentieren Sie Gesprächsversuche: Wenn Gesprächsangebote ignoriert werden, halten Sie dies sachlich fest. Es belegt später Ihr Bemühen um Klärung.
- Nicht auf Eskalation reagieren: Lassen Sie sich nicht zu Gegenangriffen, öffentlichem „Anprangern“ oder Schnellschüssen verleiten. Geduld und Besonnenheit sind auch dann wichtig, wenn Sie sich unfair behandelt fühlen.
- Unterstützung suchen: Ziehen Sie Vertrauenspersonen, Beratungsstellen oder solidarische Gruppen hinzu, um emotionalen Rückhalt zu erhalten und den Überblick zu bewahren.
5.5 Externe Moderation und Ombudsstellen
- Unabhängige Ombudsstelle: Manche größere Gruppen oder Netzwerke verfügen über eine Ombudsstelle. Hier können Sie sich auch dann melden, wenn interne Wege blockiert sind.
- Angebote von Fachstellen: Es gibt spezialisierte Beratungsstellen (z. B. in der Antidiskriminierungsarbeit oder Konfliktberatung), die Gruppen oder Einzelne begleiten – anonym und kostenfrei.
5.6 Grundsätze einer fairen Konfliktlösung
- Alle Seiten anhören: Niemand sollte vorverurteilt oder ausgeschlossen werden, bevor nicht alle Sichtweisen und Informationen gehört wurden.
- Vertraulichkeit wahren: Was im Rahmen der Konfliktlösung besprochen wird, sollte vertraulich bleiben – zum Schutz aller Beteiligten.
- Kompromisse suchen: Ziel ist nicht, einen „Sieg“ über andere zu erringen, sondern eine tragfähige Lösung zu finden, mit der alle leben können.
- Fehler einräumen: Es ist kein Zeichen von Schwäche, Fehler zuzugeben oder Verhalten zu korrigieren. Wer sich entschuldigt oder offen zeigt, fördert die Lösung.
5.7 Was tun, wenn nichts mehr hilft?
- Letzte Instanz: Rechtliche Schritte
Wenn alle Dialog- und Vermittlungsversuche gescheitert sind und die Situation untragbar wird (z. B. anhaltende Rufschädigung, konkrete Bedrohung, schwerwiegende Ausschlüsse), können rechtliche Schritte notwendig sein.
Dazu gehört: Rechtsberatung, Anzeige, zivilrechtliche Ansprüche. Diese Schritte sollten gut vorbereitet und nicht aus dem Affekt unternommen werden (siehe Kapitel 7).
Gelingende Deeskalation und Konfliktlösung schützen nicht nur Einzelne, sondern stärken auch die Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit der gesamten Gruppe. Wer offen, transparent und respektvoll Konflikte klärt, schützt Solidarität und Demokratie im Kleinen wie im Großen.
6. Öffentlichkeitsarbeit und Gegenöffentlichkeit
6.1 Warum kann Öffentlichkeitsarbeit notwendig werden?
Wenn Gruppen, Initiativen oder Kollektive interne Konflikte nicht mehr selbst klären können oder Einzelne dauerhaft ausgegrenzt und diffamiert werden, bleibt manchmal als letzter Weg nur der Gang an die Öffentlichkeit.
Öffentlichkeitsarbeit kann sein:
- Das Veröffentlichen einer Stellungnahme
- Das Verteilen von Informationsblättern (Flyern, Plakaten)
- Das Schreiben eines offenen Briefs
- Das Schaffen von digitalen Informationsquellen (Webseiten, Social Media)
6.2 Formen legitimer Öffentlichkeitsarbeit
- Faktenbasierte Darstellung: Beschreiben Sie sachlich, was passiert ist, und belegen Sie Ihre Aussagen so gut wie möglich (z. B. durch Daten, Zitate, Dokumente).
- Schutz der Persönlichkeitsrechte: Verzichten Sie – soweit irgend möglich – auf das öffentliche Nennen voller Namen, persönlicher Daten oder Details, die einzelne Personen unnötig verletzen oder gefährden könnten.
- Eigene Perspektive kenntlich machen: Machen Sie deutlich, dass Sie Ihre Sicht schildern und nicht für alle sprechen. Das schafft Transparenz und Fairness.
6.3 Risiken und Schutzmechanismen
- Rechtliche Risiken: Öffentliche Vorwürfe (z. B. „Täter“-Zuschreibungen) können schnell zu Klagen wegen Verleumdung, übler Nachrede oder Persönlichkeitsverletzung führen. Prüfen Sie im Zweifel Ihre Formulierungen sorgfältig oder lassen Sie sie vorab rechtlich prüfen.
- Gegenreaktionen: Rechnen Sie damit, dass auf öffentliche Statements (z. B. Flyer, Posts, Plakate) auch ablehnende oder feindselige Reaktionen folgen können – aus der Gruppe selbst oder von außen.
- Schutz der eigenen Person: Veröffentlichen Sie keine privaten Kontaktdaten und überlegen Sie, in welchem Umfang Sie sich persönlich sichtbar machen wollen. Anonyme oder kollektiv unterzeichnete Statements können eine sinnvolle Schutzmaßnahme sein.
6.4 Verbündete und Solidarität aufbauen
- Allianzen suchen: Sprechen Sie mit anderen Gruppen, Organisationen oder Einzelpersonen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Gemeinsam sind Sie stärker und können ein breiteres Publikum erreichen.
- Solidarische Unterstützung: Bitten Sie um Unterstützung durch Menschen, die in der Öffentlichkeit für Ihre Position einstehen oder Ihre Sicht teilen. Das kann entlasten und Sicherheit geben.
6.5 Konstruktive Öffentlichkeitsarbeit: Was ist das Ziel?
- Aufklärung statt Anklage: Ziel sollte es immer sein, auf Missstände aufmerksam zu machen und eine faire Debatte zu ermöglichen, nicht einzelne Menschen bloßzustellen oder an den Pranger zu stellen.
- Dialog ermöglichen: Laden Sie zur Diskussion, Reflexion oder zu einer gemeinsamen Lösungssuche ein. Offenheit für Rückfragen und Kritik zeigt Dialogbereitschaft.
- Langfristige Wirkung: Öffentlichkeitsarbeit sollte nicht als kurzfristige Revanche dienen, sondern einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung von Strukturen und zum Schutz vor zukünftigen Machtmissbräuchen leisten.
6.6 Digitale Öffentlichkeitsarbeit und soziale Medien
- Besondere Vorsicht: Im Internet verbreiten sich Informationen schnell und sind kaum mehr einzufangen. Was einmal öffentlich ist, bleibt oft dauerhaft auffindbar.
- Sorgfaltspflicht: Vermeiden Sie Verallgemeinerungen, Übertreibungen oder spekulative Aussagen. Halten Sie sich an überprüfbare Fakten.
- Schutz vor Cybermobbing: Achten Sie darauf, dass keine persönlichen Angriffe oder Aufrufe zu Feindseligkeit verbreitet werden – weder gegen Sie noch gegen andere.
Gut vorbereitete Öffentlichkeitsarbeit kann ein wichtiger Baustein für Gerechtigkeit und Aufklärung sein – vorausgesetzt, sie bleibt sachlich, transparent und respektiert die Rechte aller Beteiligten. Gegenöffentlichkeit ist legitim, wenn sie fair, faktenbasiert und konstruktiv genutzt wird.
7. Rechtliche Handlungsmöglichkeiten
7.1 Schutz durch das deutsche Recht
a) Schutz des Persönlichkeitsrechts
In Deutschland genießt jede Person einen umfassenden Schutz ihrer Persönlichkeit durch das Grundgesetz (Art. 1, Art. 2 GG) und das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 823 BGB).
Dazu gehören unter anderem:
- Recht auf Achtung der Menschenwürde
- Recht auf Schutz von Ehre, Ruf und Privatsphäre
- Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Kontrolle über die eigenen Daten)
b) Üble Nachrede, Verleumdung und Beleidigung
Das Strafgesetzbuch (StGB) schützt ausdrücklich vor falschen Behauptungen und Angriffen auf den Ruf:
- Üble Nachrede (§ 186 StGB): Wer über eine andere Person eine „nicht erweislich wahre Tatsache“ behauptet und damit deren Ruf schädigt, macht sich strafbar.
- Verleumdung (§ 187 StGB): Wer wissentlich falsche Tatsachen über eine andere Person verbreitet, um deren Ruf zu zerstören, begeht Verleumdung.
- Beleidigung (§ 185 StGB): Auch Ehrverletzungen ohne Tatsachenbehauptung (z. B. „Du bist …!“) sind strafbar.
c) Zivilrechtliche Ansprüche
- Unterlassung: Betroffene können verlangen, dass ehrverletzende Aussagen, Posts oder Veröffentlichungen entfernt und in Zukunft unterlassen werden (§ 1004 BGB analog).
- Widerruf und Gegendarstellung: Es besteht ein Anspruch auf Richtigstellung falscher Tatsachenbehauptungen.
- Schadensersatz: Für materielle oder immaterielle Schäden (z. B. psychische Belastung, Verdienstausfall) kann in schweren Fällen auch Schadensersatz verlangt werden (§ 823 BGB).
Das Verfahren läuft meist über anwaltliche Abmahnungen und – falls keine Einigung erzielt wird – vor Gericht.
d) Datenschutzrecht (DSGVO)
Nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) dürfen persönliche Daten (z. B. Namen, Chatverläufe, Fotos) nur mit Einwilligung verarbeitet oder veröffentlicht werden.
Betroffene haben das Recht auf Auskunft, Löschung und ggf. Schadensersatz.
7.2 Rechtliche Standards auf europäischer Ebene
a) Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die EMRK garantiert grundlegende Rechte wie:
- Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK)
- Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK), allerdings mit Einschränkung, wenn die Rechte anderer verletzt werden.
b) Unterschiede und Gemeinsamkeiten
- Schutz der Persönlichkeit: In vielen europäischen Staaten gibt es ähnliche Regelungen wie in Deutschland, jedoch sind die Verfahren und Durchsetzungsmöglichkeiten unterschiedlich streng.
- Beispiel Frankreich/Italien: Auch hier existieren strafrechtliche Sanktionen bei Verleumdung und Rufschädigung, jedoch sind die Schwellen für Strafverfolgung und Entschädigung unterschiedlich hoch. Die Auslegung, wann z. B. eine Tatsachenbehauptung als ehrverletzend gilt, ist teils strenger (Frankreich) oder großzügiger (Großbritannien) als in Deutschland.
- Datenschutz: Die DSGVO gilt EU-weit; nationale Unterschiede bestehen vor allem im Detail (z. B. Höhe von Schadensersatz, Meldepflichten).
7.3 Praktische Hinweise für Betroffene
- Frühzeitig juristischen Rat einholen: Eine anwaltliche Erstberatung kann helfen, die eigene Situation rechtlich einzuschätzen und die besten nächsten Schritte zu planen.
- Beweise sichern: Alle relevanten Dokumente, Nachrichten, E-Mails und Screenshots sollten möglichst früh und vollständig gesichert werden (siehe Kapitel 4).
- Keine vorschnellen Veröffentlichungen: Vor öffentlicher Gegendarstellung oder Veröffentlichung interner Vorgänge empfiehlt sich eine rechtliche Prüfung, um spätere Klagen zu vermeiden.
- Schlichtung oder Mediation als Alternative: Viele Konflikte können außergerichtlich gelöst werden – etwa durch Schlichtungsstellen, Mediationsverfahren oder Ombudsstellen.
7.4 Zusammenfassung
- Das deutsche Recht bietet umfangreiche Schutzmöglichkeiten für Betroffene von Rufschädigung, Ausgrenzung und Datenmissbrauch.
- Auch europäische Standards garantieren Schutz der Persönlichkeit, Privatsphäre und einen Anspruch auf faires Verfahren.
- Die Inanspruchnahme juristischer Unterstützung ist ratsam, wenn interne Lösungen scheitern oder rechtliche Risiken bestehen.
8. Selbstschutz und Resilienz
8.1 Was bedeutet Selbstschutz?
Selbstschutz beschreibt alle Maßnahmen, die eine Person ergreifen kann, um sich vor seelischer, sozialer oder körperlicher Schädigung zu bewahren. Besonders wichtig wird Selbstschutz, wenn der Rückhalt durch eine Gruppe fehlt oder wenn man auf sich allein gestellt ist.
Praktische Strategien für individuellen Selbstschutz:
- Klares Nein und Abgrenzung: Es ist legitim, sich aktiv aus belastenden Kommunikationskanälen, Gruppen oder Chats zurückzuziehen, wenn dort weiter Druck oder Angriff stattfindet.
- Kontaktsperre: Blockieren Sie gezielt Personen, die Sie wiederholt angreifen, belästigen oder einschüchtern.
- Informationen kontrollieren: Geben Sie private Details, Fotos, Aufenthaltsorte oder neue Kontaktmöglichkeiten nur an Menschen weiter, denen Sie voll und ganz vertrauen.
- Digitale Sicherheit: Nutzen Sie sichere Passwörter, aktivieren Sie Zwei-Faktor-Authentifizierung und schützen Sie Ihre Endgeräte gegen unbefugten Zugriff.
- Dokumentation: Führen Sie weiterhin ein Tagebuch oder eine Sammlung aller relevanten Ereignisse (siehe Kapitel 4) – das schützt Sie und stärkt Ihr Gefühl von Kontrolle.
8.2 Individuelle Resilienz: Was hilft, um psychisch stabil zu bleiben?
- Selbstmitgefühl üben: Seien Sie nicht zu hart zu sich selbst, akzeptieren Sie Ihre Gefühle und erkennen Sie an, dass die Situation belastend ist.
- Eigene Erfolge und Fortschritte festhalten: Notieren Sie kleine Fortschritte oder Dinge, die Sie gut gemeistert haben – das stärkt Ihr Selbstbewusstsein.
- Pausen und Abstand: Gönnen Sie sich regelmäßig Ruhe, Bewegung und Erholung. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sich zurückzuziehen, um Kraft zu tanken.
- Neue Routinen etablieren: Feste Tagesstrukturen, kleine Rituale und Aktivitäten helfen, das Gefühl von Sicherheit und Eigenkontrolle wiederzugewinnen.
- Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Psychologische Beratung, Seelsorge, Telefonseelsorge oder psychosoziale Dienste sind für alle da – unabhängig von Diagnose oder „Schwere“ des Problems.
8.3 Gesellschaftliche Gruppen und Schutzfunktionen
- Beratungsstellen: Antidiskriminierungsstellen, Opferberatungen, psychosoziale Beratungsdienste, Gleichstellungsbeauftragte – sie bieten Unterstützung, Begleitung und Vermittlung. (Beispiele: Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Opferhilfe, Pro Familia, Caritas, Diakonie)
- Rechtliche Beratung: Anwält:innen, Migrationsberatungsstellen, Gewerkschaften oder Mietervereine bieten auch Beratung bei Gruppen- oder Vereinskonflikten.
- Kirchliche und weltliche Seelsorge: Viele Kirchen, aber auch säkulare Träger bieten anonyme, vertrauliche Gespräche an – unabhängig von Weltanschauung oder Mitgliedschaft.
- Telefonseelsorge und Online-Beratung: Niedrigschwellige Angebote wie die Telefonseelsorge, „Nummer gegen Kummer“ oder Online-Plattformen (bspw. krisenchat.de) sind rund um die Uhr erreichbar.
- Selbsthilfegruppen und Foren: In vielen Städten und im Netz gibt es Austauschgruppen für Menschen mit ähnlichen Erfahrungen – oft anonym und solidarisch.
8.4 Was tun, wenn alles zu viel wird?
- Warnsignale ernst nehmen: Wenn Schlaflosigkeit, Ängste, Panikattacken, depressive Stimmungen oder Gedanken an Selbstverletzung auftreten, suchen Sie frühzeitig Hilfe – am besten bei Ihrem Hausarzt, einer Beratungsstelle oder einer psychologischen Praxis.
- Keine Scham – jede Hilfe ist berechtigt: Es ist normal, in schwierigen Situationen Unterstützung zu brauchen. Sie müssen sich dafür nicht rechtfertigen oder schämen.
- Krisenintervention: Im Notfall (bei akuter Bedrohung oder Selbstgefährdung) wenden Sie sich an den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117), die Telefonseelsorge (0800 111 0 111) oder den Rettungsdienst (112).
8.5 Zusammenfassung
Individueller Selbstschutz und Resilienz sind Grundvoraussetzungen, um aus belastenden Situationen heraus wieder handlungsfähig zu werden.
Wer auf sich allein gestellt ist, sollte die vielfältigen gesellschaftlichen Schutzfunktionen nutzen und sich nicht scheuen, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen.
Jede Form der Unterstützung – ob Beratung, rechtliche Hilfe oder Seelsorge – ist legitim und oft ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zurück zu Sicherheit und innerer Stärke.
9. Strukturelle Lehren und Empfehlungen für Gruppen
9.1 Warum sind Strukturen wichtig?
Auch in selbstverwalteten, basisdemokratischen oder informellen Gruppen entstehen zwangsläufig Machtverhältnisse und Dynamiken. Werden diese nicht regelmäßig reflektiert und angepasst, steigt die Gefahr von Ausgrenzung, Intransparenz und Fehlentwicklungen. Kluge, faire Strukturen sind kein Widerspruch zu Freiheit und Selbstbestimmung – im Gegenteil: Sie sichern demokratische Teilhabe und schützen vor Missbrauch.
9.2 Entwicklung fairer Konfliktkulturen
- Offene Fehlerkultur: Schaffen Sie ein Klima, in dem Irrtümer, Meinungsverschiedenheiten oder Fehler offen zugegeben werden können, ohne Angst vor Sanktionen oder Gesichtsverlust.
- Verbindliche Verfahren: Legen Sie gemeinsam fest, wie Konflikte und Anschuldigungen behandelt werden (z. B. klarer Ablauf bei Vorwürfen, festgelegte Moderation, Schutz aller Beteiligten).
- Transparente Kommunikation: Halten Sie Entscheidungswege, Absprachen und Protokolle für alle zugänglich. Regelmäßige Info-Updates beugen Missverständnissen vor.
9.3 Einführung und Evaluation von Awareness- und Moderationsstandards
- Rollen und Aufgaben klären: Wer ist für Awareness, Moderation oder Schlichtung zuständig? Wie werden diese Personen gewählt und wie bleiben sie rechenschaftspflichtig?
- Externe Begleitung ermöglichen: Nutzen Sie im Zweifel unabhängige Moderator:innen oder Beratungsstellen – gerade bei schwerwiegenden Konflikten oder wenn interne Wege blockiert sind.
- Regelmäßige Schulungen: Bilden Sie Verantwortliche für Awareness, Mediation und Moderation regelmäßig fort. So bleiben Methoden aktuell und die Sensibilität für Machtfragen wächst.
9.4 Reflexion und Prävention von Machtmissbrauch
- Regelmäßige Selbstüberprüfung: Reflektieren Sie gemeinsam (z. B. einmal im Quartal), ob die Verfahren noch fair, inklusiv und transparent sind. Was läuft gut? Wo gibt es verdeckte Ausschlüsse oder blinde Flecken?
- Anonyme Rückmeldemöglichkeiten: Ermöglichen Sie Feedback, auch anonym, damit Hemmschwellen abgebaut und kritische Hinweise frühzeitig ankommen.
- Kritik nicht als Angriff, sondern als Chance: Lernen Sie, Kritik als Beitrag zur Verbesserung und nicht als Bedrohung zu sehen.
9.5 Umgang mit kritischen Vorfällen
- Klare Dokumentation: Sorgen Sie dafür, dass alle wichtigen Vorgänge nachvollziehbar dokumentiert werden (siehe Kapitel 4). Das schützt Gruppen und Einzelne vor späteren Streitigkeiten.
- Präventive Kommunikation: Sprechen Sie heikle Themen frühzeitig an, statt sie „unter den Teppich zu kehren“.
- Grenzen kennen und respektieren: Manche Konflikte lassen sich nicht allein intern lösen. Es ist kein Scheitern, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen.
9.6 Nachhaltigkeit und Diversität fördern
- Vielfalt zulassen: Fördern Sie unterschiedliche Perspektiven, Hintergründe und Fähigkeiten in der Gruppe. Diversität stärkt Problemlösungen und beugt Gruppendenken vor.
- Nachhaltigkeit sichern: Verankern Sie Verfahren und Standards so, dass sie auch bei Wechsel von Mitgliedern oder Verantwortlichen Bestand haben. Erstellen Sie Handbücher, Leitfäden oder interne FAQs, um Wissen zu bewahren.
9.7 Ausblick: Demokratische Standards als Schutzschild
Nur Gruppen, die bereit sind, Macht, Verantwortung und Fehler zu reflektieren und offen damit umzugehen, bleiben langfristig handlungsfähig, solidarisch und gerecht.
Kollektive Resilienz entsteht nicht durch Verdrängung oder starre Regeln, sondern durch lernfähige, partizipative Strukturen, die allen Beteiligten Schutz und Mitgestaltung ermöglichen.
10. Schlusswort und Ausblick
Konflikte, Ausgrenzung und Machtmissbrauch können in jeder Gruppe, Initiative oder Bewegung auftreten – auch dort, wo Werte wie Gerechtigkeit, Solidarität und Demokratie besonders betont werden. Die Erfahrungen vieler Betroffener zeigen, dass nicht nur formale Strukturen, sondern vor allem die gelebte Kultur des Umgangs miteinander darüber entscheidet, ob Konflikte zerstörerisch wirken oder Anlass zu gemeinsamer Weiterentwicklung werden.
Dieses Strategiepapier macht deutlich:
- Jede:r Einzelne hat das Recht auf Schutz, Gehör und faire Behandlung – unabhängig von Status, Zugehörigkeit oder Meinung.
- Gruppen, die demokratische Verfahren, transparente Kommunikation und Fehlerkultur leben, sind resilienter – gegenüber internen wie externen Krisen.
- Struktureller Extremismus, Definitionsmacht und blinde Ausschlusslogiken gefährden nicht nur Individuen, sondern auch die Integrität und Glaubwürdigkeit gemeinsamer Anliegen.
Sie schützen Einzelne vor Überforderung, schaffen Vertrauen und ermöglichen echte Transformation – im Kleinen wie im Großen.
Gerade in einer Zeit, in der gesellschaftliche Spaltungen, Unsicherheiten und Krisen zunehmen, sind demokratische Standards und gegenseitige Fürsorge der beste Schutz gegen Willkür, Ausgrenzung und Extremismus – egal welcher Couleur.
Mut zur Selbstkritik, klare Verfahren und Empathie im Umgang miteinander bleiben die wichtigsten Bausteine für eine gerechte, inklusive und zukunftsfähige Zivilgesellschaft.
Das Antifaschistische Schutz-Institut steht als Ansprechpartner für Fragen, Beratung, Workshops und öffentliche Debatte zur Verfügung.
Gemeinsam können wir Strukturen schaffen, die nicht nur Konflikte überstehen, sondern daran wachsen.
11. Anhang – Praxis, Beispiele, Vorlagen
- Glossar
- Konkrete Fallskizzen zu Kapitel 2
- Kleine Beispiele und juristische Hinweise zu Kapitel 3
- Handout: Was tun im Konfliktfall? (Kapitel 4)
- Praxisbeispiele zu Kapitel 5
- Konkrete Beispiele, Musterschreiben und Tipps für besondere Situationen (Kapitel 6)
- Musterschreiben, Anlaufstellen und Checklisten zu Kapitel 7
- Anlaufstellen, Adressen und praktische Links zu Kapitel 8
- Praxisbeispiele zu Kapitel 9, Checklisten und Vorlagen für Gruppenprozesse
11.1 Glossar
- Awareness: Achtsamkeit und Bewusstheit gegenüber den Bedürfnissen, Grenzen und dem Wohlbefinden aller Beteiligten in einer Gruppe. Awareness-Teams oder -Strukturen sollen Übergriffe verhindern und Betroffene schützen – sie können aber auch missbraucht werden.
- Autoritäre Dynamik: Entwicklung innerhalb einer Gruppe, bei der Entscheidungsgewalt und Kontrolle sich auf wenige Personen konzentrieren und Kritik unterdrückt wird. Auch informelle Hierarchien können solche Prozesse fördern.
- Ausschluss / Exklusion: Das gezielte oder unbeabsichtigte Entfernen oder Ausgrenzen von Einzelpersonen aus einer Gruppe, sei es durch Rauswurf, Ignorieren oder subtile Benachteiligung.
- Beleidigung: Herabwürdigende Äußerung über eine Person, die deren Ehre verletzt. Im deutschen Strafrecht strafbar (§ 185 StGB).
- Chronologie: Zeitlich geordnete Darstellung von Ereignissen. Chronologien helfen, Abläufe und Verantwortlichkeiten im Konfliktfall nachzuvollziehen.
- Datenschutz: Gesamtheit der Regelungen, die den Umgang mit persönlichen Daten schützen. In der EU gilt hierfür die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
- Definitionsmacht: Die (oft informelle) Fähigkeit Einzelner oder kleiner Gruppen, darüber zu bestimmen, wie Begriffe verwendet werden und welche Sichtweise als gültig anerkannt wird.
- Deeskalation: Maßnahmen, um Konflikte oder Spannungen zu entschärfen und weitere Verschärfung zu vermeiden – etwa durch Gespräch, Vermittlung oder Moderation.
- Diffamierung: Bewusste Verbreitung abwertender, ehrverletzender Behauptungen über eine Person, um deren Ruf zu schädigen.
- Diskriminierung: Ungleichbehandlung oder Benachteiligung aufgrund von Merkmalen wie Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, sexueller Orientierung oder Weltanschauung.
- Dokumentation: Systematische Sammlung von Belegen, Notizen, Protokollen und Nachrichten, die den Verlauf eines Konflikts oder Vorfalls nachvollziehbar machen.
- Eskalation: Verschärfung oder Zuspitzung eines Konflikts, bei der Fronten verhärtet und Lösungen erschwert werden.
- Gegenöffentlichkeit: Öffentliche Darstellung von Sichtweisen, Erfahrungen oder Vorfällen, die innerhalb der ursprünglichen Gruppe nicht gehört oder unterdrückt werden.
- Gruppendynamik: Wechselwirkungen und Prozesse innerhalb einer Gruppe, die das Verhalten, den Zusammenhalt und die Konfliktlösung beeinflussen.
- Machtmissbrauch: Das Ausnutzen von Einfluss oder Kontrolle, um anderen zu schaden, sie zu unterdrücken oder ungerecht zu behandeln – unabhängig davon, ob die Position formal oder informell ist.
- Mediation: Vermittlung durch eine neutrale dritte Person (Mediator:in), die hilft, zwischen Konfliktparteien zu moderieren und Lösungen zu finden.
- Ombudsstelle: Unabhängige Anlaufstelle oder Vermittlungsperson, die bei Streit oder Problemen in Gruppen, Vereinen oder Institutionen unparteiisch unterstützt.
- Persönlichkeitsrecht: Gesamtheit der Rechte, die die Würde, Privatsphäre, Ehre und das Bild einer Person schützen – auch im Internet und in Gruppen.
- Plenum: Gesamtheit aller Mitglieder einer Gruppe oder Initiative, die gemeinsam über wichtige Fragen diskutiert und entscheidet.
- Resilienz: Fähigkeit, mit schwierigen Situationen, Belastungen und Krisen umzugehen und trotzdem handlungsfähig und psychisch gesund zu bleiben.
- Rufschädigung: Handlung oder Aussage, die den guten Ruf einer Person in der Öffentlichkeit oder im Umfeld beeinträchtigt oder zerstört.
- Schlichtung: Versuch, einen Streit durch Vermittlung, Vorschläge und Moderation zu beenden, ohne dass ein Gericht oder eine autoritäre Instanz entscheidet.
- Selbsthilfegruppe: Zusammenschluss von Menschen mit ähnlichen Erfahrungen, die sich gegenseitig unterstützen, austauschen und stärken.
- Unschuldsvermutung: Grundsatz, dass jede Person solange als unschuldig gilt, bis ihre Schuld nachgewiesen ist – gilt auch in Gruppen, nicht nur vor Gericht.
- Verleumdung: Bewusste Verbreitung von nachweislich falschen, rufschädigenden Tatsachen über eine Person mit dem Ziel, ihr zu schaden (§ 187 StGB).
11.2 Konkrete Fallskizzen zu Kapitel 2
Fall 1: Der stille Ausschluss aus der Chatgruppe
Anna engagiert sich seit über einem Jahr in einer lokalen Klimagruppe. Nach einem Streit über die Rolle von Awareness-Teams kritisiert sie in einem internen Chat, dass Entscheidungen zu undurchsichtig getroffen würden.
Kurze Zeit später stellt Anna fest, dass sie aus der wichtigsten Chatgruppe entfernt wurde – ohne vorherige Rücksprache, Begründung oder Möglichkeit zur Stellungnahme. Ihre Nachfragen bleiben unbeantwortet, auch im Plenum wird das Thema „vertagt“.
In den folgenden Wochen erfährt Anna, dass über sie gesprochen, aber nicht mit ihr kommuniziert wird. Neue Infos oder Entscheidungen erreichen sie nicht mehr.
Typische Muster:
- Ausschluss durch administrative Kontrolle (Entfernung aus Chat)
- Keine Transparenz, keine Begründung
- Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten für die Betroffene
- Rufschädigung durch Gerüchte statt offener Klärung
Mehmet, aktiver Teil einer Jugendinitiative, wird eines Tages mit dem Vorwurf konfrontiert, sich „übergriffig“ verhalten zu haben. Der Awareness-Kreis der Initiative sieht Handlungsbedarf, informiert den Rest der Gruppe aber nur allgemein über „einen Vorfall“ – ohne Details zu nennen oder Mehmet anzuhören.
Nach und nach wird er von einzelnen Freund:innen gemieden, Einladungen zu Treffen bleiben aus. Schließlich erscheint sein Name auf einer internen Liste als „problematisch“.
Erst später erfährt Mehmet, dass der Vorwurf auf einem Missverständnis beruhte, das im Gespräch hätte geklärt werden können.
Typische Muster:
- Zeitkritische, vorschnelle Intervention bei angeblicher Bedrohung
- Keine Möglichkeit zur Verteidigung oder Klärung für den Betroffenen
- Verstärkende Gruppendynamik: Alle übernehmen die Täterzuschreibung
- Langfristige soziale Isolation trotz fehlender Aufklärung
Sophie und Tim geraten im Orgateam einer queeren Kulturgruppe in einen Streit um die Planung eines Events. Beide fühlen sich von der jeweils anderen Seite missverstanden und beklagen sich bei ihren jeweiligen Freundeskreisen.
Anstatt das Gespräch mit einer neutralen Person oder Moderator:in zu suchen, verbreiten sich Gerüchte über angebliches Fehlverhalten von Sophie. Immer mehr Mitglieder beziehen Stellung, ohne direkt mit ihr zu sprechen.
Schließlich zieht sich Sophie freiwillig zurück, weil sie den sozialen Druck und die ausbleibende Unterstützung nicht mehr aushält.
Typische Muster:
- Fehlende Konfliktmoderation
- Gerüchte statt offene Kommunikation
- Verstärkung der Ausgrenzung durch Gruppenbildung
- Freiwilliger Rückzug als Ergebnis subtiler Dynamik
In einer selbstorganisierten Kulturinitiative haben drei Gründungsmitglieder Adminrechte für die wichtigsten Kommunikationskanäle. Als neue Mitglieder Vorschläge zur Strukturverbesserung machen, werden diese in den Gruppenchats abgewiegelt oder gelöscht.
Nach und nach merken die neuen Mitglieder, dass wichtige Informationen sie nicht erreichen und sie bei Abstimmungen übergangen werden. Ein Mitglied, das offen Kritik übt, wird aus dem Organisationsteam ausgeschlossen.
Typische Muster:
- Informelle Machtkonzentration (Adminrechte, Kontrolle über Infos)
- Unterdrückung neuer Ideen und Kritik
- Exklusion durch Intransparenz und Hierarchie
- Nachträgliche Legitimierung des Ausschlusses durch informelle Netzwerke
In einer politisch aktiven Gruppe wird ein interner Streit über Social Media ausgetragen. Ein Betroffener wird namentlich in einem öffentlichen Posting als „problematische Person“ bezeichnet. Das Posting wird vielfach geteilt, auch außerhalb der Szene.
Der Betroffene wird mit Fragen und Vorwürfen überhäuft, verliert das Vertrauen in die Gruppe und zieht sich zurück. Erst nach Wochen wird das Posting gelöscht – eine öffentliche Entschuldigung oder Korrektur bleibt aus.
Typische Muster:
- Öffentliche Bloßstellung ohne faires Verfahren
- Massive, teils irreversible Rufschädigung
- Kein späteres Angebot zur Wiedergutmachung
- Rückzug und nachhaltige Belastung des Betroffenen
11.3 Kleine Beispiele und juristische Hinweise zu Kapitel 3
Beispiel 1: Übereilte Maßnahme bei vermeintlicher Gefahr
Im Plenum einer Initiative berichtet eine Person über ein angeblich übergriffiges Verhalten eines Mitglieds. Aus Angst vor weiteren Vorfällen wird noch am selben Abend im kleinen Kreis entschieden, die beschuldigte Person aus allen Chatgruppen zu entfernen – ohne ihre Sicht anzuhören.
Risiko: Die Eile führt dazu, dass niemand weiß, was tatsächlich passiert ist. Die ausgeschlossene Person hat keine Möglichkeit zur Verteidigung und erfährt erst später, dass über sie gesprochen wurde.
Juristischer Hinweis: Auch in Gruppen gilt die Unschuldsvermutung. Wer jemanden ausschließt oder öffentlich anklagt, ohne Beweise oder Anhörung, riskiert eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts (§ 823 BGB).
Beispiel 2: Öffentliche Namensnennung ohne Urteil
Nach einem Streit werden auf Social Media Namen und Bilder einer Person gepostet mit dem Hinweis „Achtung, übergriffiges Verhalten!“. Freunde und Bekannte distanzieren sich, die Betroffene wird öffentlich gemieden.
Risiko: Die bloße Nennung reicht aus, um das Ansehen massiv zu beschädigen – auch wenn sich die Vorwürfe später als falsch herausstellen.
Juristischer Hinweis: Die Veröffentlichung von Namen und Anschuldigungen ohne gerichtliches Urteil kann als üble Nachrede (§ 186 StGB), Verleumdung (§ 187 StGB) und Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewertet werden. Es drohen zivil- und strafrechtliche Folgen, darunter Unterlassungsansprüche, Schadensersatz und ggf. strafrechtliche Verurteilung.
Beispiel 3: Täterzuschreibung ohne neutrale Klärung
Im Rahmen einer Awareness-Intervention wird ein Mitglied als „Täter“ bezeichnet, obwohl noch keine neutrale Klärung stattgefunden hat. Die Zuschreibung verfestigt sich, Rückfragen werden als „Täter-Opfer-Umkehr“ interpretiert.
Risiko: Die soziale und psychische Belastung für die betroffene Person ist enorm. Ein späterer Freispruch oder eine Aufklärung kann das Stigma kaum mehr rückgängig machen.
Juristischer Hinweis: Eine vorschnelle Täterzuschreibung ohne Beweise oder Urteil widerspricht dem Grundsatz der Unschuldsvermutung (auch im Gruppenleben). Gruppen können im Schadensfall haftbar gemacht werden, wenn dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt werden.
Beispiel 4: Gruppendynamik und Kettenreaktionen
Ein Vorwurf wird im kleinen Kreis geteilt, weitere Mitglieder übernehmen ihn unkritisch und verbreiten ihn weiter. Immer mehr Menschen distanzieren sich, auch solche, die den Fall gar nicht kennen.
Risiko: So entsteht eine Dynamik, die den Schaden vergrößert und eine faire Klärung fast unmöglich macht.
Juristischer Hinweis: Wer ungesicherte Informationen weiterverbreitet, macht sich mitschuldig an der Rufschädigung. Nach deutschem Recht kann auch das „Teilen“ rufschädigender Aussagen (z. B. via Messenger, E-Mail, Social Media) haftungs- oder sogar strafrechtliche Folgen haben.
Grundsatz: Fairness und Sorgfaltspflicht
Juristischer Hinweis: Gruppen, Vereine und Initiativen tragen Verantwortung für den Schutz aller Mitglieder – auch und besonders bei Konflikten. Überhastete Maßnahmen ohne Beweise, öffentliche Vorverurteilung und fahrlässige Informationsverbreitung sind nicht nur unethisch, sondern können rechtlich erhebliche Folgen haben.
Weitere juristische Hinweise, Anlaufstellen und Mustertexte werden in den Anhängen zu Kapitel 7 ausführlich dargestellt.
11.4 Handout: Was tun im Konfliktfall?
- Ruhe bewahren und nichts überstürzen
- Nehmen Sie sich Zeit, bevor Sie reagieren.
- Treffen Sie keine Entscheidungen im Affekt oder unter Gruppendruck.
- Sofort beginnen: Dokumentation
- Notieren Sie möglichst genau, was passiert ist – am besten zeitnah (Datum, Uhrzeit, Beteiligte, Verlauf).
- Speichern Sie relevante Nachrichten, E-Mails, Chatverläufe, Protokolle oder Screenshots.
- Schreiben Sie kurze Gedächtnisprotokolle zu mündlichen Gesprächen oder Telefonaten.
- Gespräch suchen – aber vorbereitet
- Überlegen Sie, ob und mit wem Sie ein Gespräch führen wollen.
- Bereiten Sie sich vor: Was möchten Sie sagen? Was möchten Sie wissen?
- Falls Sie Angst vor Eskalation haben, ziehen Sie eine Vertrauensperson, Vermittler:in oder Awareness-Team hinzu.
- Rechte kennen und auf Fairness bestehen
- Verlangen Sie, dass auch Ihre Sicht gehört wird – niemand darf ohne Anhörung ausgeschlossen werden.
- Fordern Sie transparente Verfahren, möglichst unter Einbindung neutraler Moderation.
- Bestehen Sie auf die Unschuldsvermutung: Solange nichts bewiesen ist, sind Sie nicht schuldig.
- Kontakte sichern und Unterstützung suchen
- Suchen Sie das Gespräch mit Vertrauenspersonen außerhalb der Gruppe (Freunde, Familie, Beratungsstellen).
- Prüfen Sie, ob es in Ihrer Organisation Ombudsstellen, externe Moderation oder Beratungsangebote gibt.
- Lassen Sie sich nicht isolieren.
- Eigene Grenzen respektieren
- Sie müssen nicht jedem Gespräch, jeder Einladung oder jedem Druck nachgeben – schützen Sie sich, wenn nötig.
- Ziehen Sie sich vorübergehend aus belastenden Chats oder Gruppen zurück, wenn dies Ihr Wohlbefinden verbessert.
- Informationen zurückhalten
- Geben Sie keine vertraulichen Informationen, Erklärungen oder Verteidigungen in großen, unsicheren Gruppen preis.
- Überlegen Sie, wem Sie was anvertrauen – und vermeiden Sie vorschnelle öffentliche Stellungnahmen.
- Externe Beratung und rechtlichen Rat einholen
- Bei schwerwiegenden Vorwürfen, Rufschädigung oder öffentlicher Bloßstellung wenden Sie sich frühzeitig an juristische oder psychosoziale Beratungsstellen.
- Sichern Sie alle Beweise, falls eine rechtliche Klärung notwendig wird.
- Sich selbst stärken
- Denken Sie an Ihre psychische Gesundheit: Suchen Sie Unterstützung, gönnen Sie sich Pausen und achten Sie auf Ihre Bedürfnisse.
- Professionelle Hilfe (Beratung, Seelsorge, Therapie) kann auch kurzfristig entlasten.
Checkliste: Was tun im Konfliktfall?
- [ ] Alle relevanten Vorgänge dokumentiert (Datum, Ablauf, Beteiligte)
- [ ] Beweismittel gesichert (Nachrichten, Screenshots, Protokolle)
- [ ] Gesprächsversuche unternommen oder geplant
- [ ] Rechte auf Anhörung und faires Verfahren eingefordert
- [ ] Externe Unterstützung gesucht (Vertrauensperson, Beratungsstelle)
- [ ] Eigene Belastungsgrenzen erkannt und respektiert
- [ ] Keine vorschnellen öffentlichen Aussagen getroffen
- [ ] Im Zweifel juristischen Rat eingeholt
11.5 Praxisbeispiele zu Kapitel 5: Deeskalation und Konfliktlösung
- Beispiel 1: Gelingende Deeskalation durch Moderation
Situation: In einer selbstverwalteten Arbeitsgruppe gibt es Streit um eine neue Projektidee. Zwei Mitglieder geraten wiederholt aneinander und drohen, die Gruppe zu verlassen.
Vorgehen: Die Gruppe entscheidet, ein Treffen mit einer externen Moderatorin zu organisieren. Die Moderatorin stellt Gesprächsregeln auf, sorgt für eine ruhige Atmosphäre und achtet darauf, dass beide Seiten gleich viel Redezeit bekommen. Die Beteiligten schildern ihre Sicht, hören sich zu und erkennen Missverständnisse. Am Ende wird ein Kompromiss gefunden und die Gruppe arbeitet weiter zusammen.
Lernpunkt: Frühe Einbindung neutraler Moderation und klare Gesprächsregeln helfen, Konflikte zu entschärfen, bevor sie eskalieren. - Beispiel 2: Gescheiterte Konfliktlösung durch Ausgrenzung
Situation: In einer Jugendinitiative äußert ein Mitglied mehrfach Kritik an der Vorgehensweise des Vorstands. Die Gruppe fühlt sich angegriffen und entscheidet ohne Vorwarnung, das kritische Mitglied von Treffen und Chats auszuschließen.
Folge: Die ausgeschlossene Person sucht keine Klärung mehr, sondern verlässt die Initiative enttäuscht. Weitere Mitglieder beobachten das Vorgehen und ziehen sich ebenfalls zurück. Die Gruppe verliert Vertrauen und Engagement.
Lernpunkt: Ausschluss ohne Gespräch und Vermittlung führt zu Vertrauensverlust und Schwächung der Gruppe. - Beispiel 3: Deeskalation durch Vermittlung
Situation: Zwei Mitglieder einer politischen Gruppe stehen sich nach einem Missverständnis feindlich gegenüber. Andere Mitglieder schlagen ein Vermittlungsgespräch vor. Eine neutrale dritte Person moderiert ein Treffen, bei dem beide ihre Sichtweisen erklären. Durch das Gespräch klären sich viele Missverständnisse auf.
Lernpunkt: Vermittlung durch Unbeteiligte schafft neue Perspektiven und hilft, die eigene Sicht zu relativieren. - Beispiel 4: Misslungene Konfliktlösung durch Ignorieren
Situation: In einer queeren Kulturgruppe gibt es Gerüchte über einen Streit zwischen zwei aktiven Mitgliedern. Die Gruppe ignoriert die Situation, in der Hoffnung, das Problem löse sich „von selbst“.
Folge: Die Stimmung verschlechtert sich, weitere Mitglieder beziehen Partei, der Streit eskaliert und die Gruppe spaltet sich schließlich.
Lernpunkt: Konflikte, die nicht angesprochen und moderiert werden, wachsen oft unkontrolliert und gefährden den Zusammenhalt. - Beispiel 5: Erfolgreiche Deeskalation durch strukturierte Kommunikation
Situation: Bei einer Vereinsversammlung kündigt sich eine emotionale Debatte über Finanzen an. Die Versammlungsleitung schlägt eine „Blitzlichtrunde“ vor: Alle sagen kurz, wie sie die Situation erleben, ohne unterbrochen zu werden. Danach wird eine strukturierte Debatte eröffnet.
Ergebnis: Viele erleben, dass ihre Meinung zählt, und der Ton bleibt sachlich. Die Diskussion bleibt lösungsorientiert.
Lernpunkt: Klare Strukturen und das Einholen aller Stimmen wirken deeskalierend, besonders bei emotionalen Themen.
Diese Beispiele können als Diskussionsgrundlage, Rollenspielvorlage oder zur Reflexion eigener Erfahrungen genutzt werden.
11.6 Konkrete Beispiele, Musterschreiben und Tipps für besondere Situationen (Kapitel 6)
-
Beispiel: Sachliche öffentliche Stellungnahme
Anlass: Eine Person wird nach einem ungeklärten Vorfall in sozialen Medien oder in der Szene öffentlich kritisiert. Sie möchte reagieren, ohne weiter zu eskalieren.
Mustertext: Stellungnahme zum aktuellen Vorfall: In den letzten Tagen wurden im Zusammenhang mit meiner Person öffentlich schwerwiegende Vorwürfe erhoben. Ich nehme diese sehr ernst, möchte aber klarstellen: Die Vorwürfe wurden bislang weder in einem fairen Verfahren geprüft noch wurde ich zu einer Stellungnahme eingeladen. Ich bin weiterhin bereit, offen und transparent zu einer Klärung beizutragen, und bitte darum, sachlich zu bleiben und niemanden vorzuverurteilen. Ich bitte alle, die an einer Lösung interessiert sind, gemeinsam mit mir auf Dialog und Aufklärung zu setzen, statt auf öffentliche Schuldzuweisungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
-
Beispiel: Gegendarstellung/Bitte um Richtigstellung
Anlass: Im Internet, per Aushang oder Flyer wird eine Person namentlich und inhaltlich falsch dargestellt.
Mustertext: Gegendarstellung gemäß § 10 Landespressegesetz: Zu der am [Datum] veröffentlichten Behauptung, ich hätte [Vorwurf] begangen, stelle ich Folgendes richtig: Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Weder wurde ich dazu angehört, noch existieren Belege für diese Anschuldigungen. Ich fordere dazu auf, die Veröffentlichung zu löschen/zu berichtigen und künftig auf falsche oder unbegründete Vorwürfe zu verzichten. [Name, Kontaktmöglichkeit] -
Tipps für den Schutz persönlicher Daten in der Öffentlichkeitsarbeit
- Verzichten Sie auf das Veröffentlichen von privaten Kontaktdaten, Adressen oder Fotos.
- Verwenden Sie nur Ihren Vornamen oder ein Pseudonym, wenn Sie unsicher sind.
- Bitten Sie bei kollektiven Statements um eine anonyme oder gemeinschaftliche Unterzeichnung, etwa „Initiative XY“ statt Einzelname.
- Prüfen Sie Texte, Flyer oder Postings vor Veröffentlichung auf rechtliche Risiken: Keine Behauptungen über Dritte ohne Beleg, keine persönlichen Angriffe.
-
Hinweise für besondere Situationen
- Plakate/Flyer in der Öffentlichkeit: Halten Sie Texte so allgemein wie möglich. Konzentrieren Sie sich auf Strukturen und Abläufe statt auf Einzelpersonen. Platzieren Sie keine Flyer an privaten Orten ohne Erlaubnis – dies kann als Sachbeschädigung gewertet werden.
- Umgang mit Medienanfragen: Geben Sie keine Stellungnahmen ab, die Sie nicht vorbereitet haben. Lassen Sie sich Zeit, um eine schriftliche Antwort zu formulieren. Sprechen Sie sich ggf. mit Unterstützer:innen oder juristischem Beistand ab.
- Digitale Gegenöffentlichkeit: Kommentarfunktion moderieren oder deaktivieren, um Missbrauch und Angriffe zu vermeiden. Screenshots und Dokumente möglichst anonymisieren (Namen und private Daten schwärzen).
-
Mustervorlage: Kurz-Statement auf Social Media
Wir stehen für eine sachliche, faire Klärung von Konflikten – ohne Vorverurteilung, Diffamierung oder öffentliche Bloßstellung. Jeder Mensch hat das Recht auf Gehör, Schutz seiner Privatsphäre und ein faires Verfahren. Wer Unterstützung braucht, kann sich vertraulich an [Kontakt, Beratungsstelle] wenden.
Diese Beispiele und Vorlagen helfen, angemessen, rechtssicher und deeskalierend in Konfliktsituationen öffentlich zu kommunizieren.
11.7 Musterschreiben, Anlaufstellen und Checklisten zu Kapitel 7
-
A.1 Unterlassungsforderung wegen rufschädigender Behauptungen
Hiermit fordere ich Sie auf, die Verbreitung der Behauptung(en), ich hätte [konkrete Vorwürfe], unverzüglich zu unterlassen und sämtliche entsprechenden Inhalte zu löschen. Die genannten Aussagen sind unwahr und verletzen mein Persönlichkeitsrecht (§ 823 BGB). Für den Fall einer erneuten Veröffentlichung behalte ich mir rechtliche Schritte, insbesondere eine einstweilige Verfügung und Schadensersatzansprüche, ausdrücklich vor. Bitte bestätigen Sie mir bis spätestens [Datum], dass Sie dieser Aufforderung nachkommen. -
A.2 Gegendarstellung gegenüber Medium oder Gruppe
In Ihrer Veröffentlichung vom [Datum] behaupten Sie, ich hätte [Vorwurf]. Diese Darstellung ist unzutreffend. Ich fordere Sie hiermit auf, folgende Gegendarstellung in gleicher Form und an gleicher Stelle zu veröffentlichen: 'Gegendarstellung: Entgegen der Behauptung vom [Datum] trifft es nicht zu, dass [Korrektur der Aussage].' Bitte bestätigen Sie mir die Veröffentlichung schriftlich bis zum [Datum]. -
A.3 Anfrage bei Beratungsstelle oder Ombudsstelle
Ich bin Mitglied in [Name der Gruppe/Organisation] und sehe mich seit [Datum] mit schwerwiegenden Vorwürfen, Ausgrenzung oder Rufschädigung konfrontiert. Trotz interner Klärungsversuche blieb eine Lösung bislang aus. Ich bitte um Beratung und gegebenenfalls Vermittlung, um eine faire und rechtssichere Klärung zu ermöglichen. Über eine Rückmeldung und Terminvereinbarung würde ich mich sehr freuen.
Anlaufstellen in Deutschland und Europa
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes: www.antidiskriminierungsstelle.de, Telefon 030 18555 1855
- Opferhilfe Deutschland e. V.: www.opferhilfe.de
- Deutscher Anwaltverein: www.anwaltverein.de
- Telefonseelsorge: www.telefonseelsorge.de, Tel. 0800 1110111 oder 0800 1110222
- Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin: www.adnb.de
- Europäisches Verbraucherzentrum: www.evz.de
- EU-Antidiskriminierungsstellen: www.equineteurope.org
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Ombudsstellen: www.ombudsstelle.de
Checkliste: Vorbereitung rechtlicher Schritte
- Alle relevanten Vorfälle, Aussagen und Abläufe dokumentieren
- Nachweise und Belege (Screenshots, E-Mails, Briefe) sichern
- Persönliche Daten und sensible Informationen schützen
- Frühzeitig eine Beratung oder ein Erstgespräch einholen
- Mögliche Zeugen identifizieren und um Bestätigung bitten
- Rechtliche Prüfung vor Veröffentlichung erwägen
- Fristen und Verjährungen prüfen (z. B. Drei-Monats-Frist)
- Bisherigen Kommunikationsverlauf sichern
- Ziel und gewünschtes Ergebnis klar definieren
11.8 Anlaufstellen, Adressen und praktische Links zu Kapitel 8
A. Psychosoziale Beratungsstellen und Seelsorge
- Telefonseelsorge: www.telefonseelsorge.de, 0800 1110111 oder 0800 1110222 (24/7, anonym)
- Nummer gegen Kummer: www.nummergegenkummer.de, Kinder- und Jugendtelefon: 116111, Elterntelefon: 0800 1110550
- Pro Familia: www.profamilia.de
- Diakonie Beratung: www.diakonie.de/beratung
- Caritas Beratung: www.caritas.de/hilfeundberatung
- Kirchliche Seelsorge über regionale Kirchengemeinden
B. Antidiskriminierungs- und Opferberatungsstellen
- Antidiskriminierungsstelle des Bundes: www.antidiskriminierungsstelle.de, 030 18555 1855
- Opferhilfe Deutschland e. V.: www.opferhilfe.de
- Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin: www.adnb.de
- Initiative für Gerechtigkeit bei Diskriminierung: www.idbdeutschland.de
- BAG Selbsthilfe: www.bag-selbsthilfe.de
C. Online-Hilfsangebote und Krisen-Hotlines
- Krisenchat: www.krisenchat.de
- Soforthilfe bei Suizidgedanken: www.suizidprophylaxe.de, 0800 1110111
- Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: www.hilfetelefon.de, 08000 116016
- Hilfetelefon Gewalt an Männern: www.maennerhilfetelefon.de, 0800 1239900
- Hilfetelefon „Sexueller Missbrauch“: www.save-me-online.de, 0800 2255530
D. Weitere Beratungs- und Selbsthilfeangebote
- Selbsthilfegruppen-Suchportal: www.nakos.de
- Psychotherapie-Suche: www.therapie.de/psychotherapie
- Sozialpsychiatrische Dienste: Über Gesundheitsamt der Stadt/Kreisverwaltung
Hinweis: Alle Angebote sind in der Regel kostenfrei, vertraulich und auf Wunsch anonym. Auch Angehörige oder Vertrauenspersonen können dort Rat suchen.
11.9 Praxisbeispiele zu Kapitel 9, Checklisten und Vorlagen für Gruppenprozesse
A. Praxisbeispiele für faire Gruppenarbeit und Konfliktmoderation
- Feedbackrunde nach einem Streit: Nach einem Streit im Plenum bekommt jede Person zwei Minuten für die eigene Sicht, ohne Unterbrechung. Erst danach werden Gefühle, Bedürfnisse und Lösungswege diskutiert.
- Awareness-Person in der Sitzung: Jede Sitzung hat eine Awareness-Person, die auf Gesprächsregeln achtet, moderiert und früh eingreift, wenn die Atmosphäre kippt.
- Anonyme Rückmeldungen: Digitale oder physische Feedbackmöglichkeiten werden regelmäßig ausgewertet und in die Tagesordnung aufgenommen.
B. Checklisten für Gruppenprozesse
- Checkliste: Vorbereitung und Ablauf einer Konfliktmoderation
- [ ] Neutrale Moderation oder Awareness-Person bestimmen
- [ ] Klare Gesprächsregeln vereinbaren (z. B. keine Unterbrechungen, respektvoller Umgang)
- [ ] Reihenfolge der Redebeiträge festlegen
- [ ] Konfliktparteien gleichberechtigt zu Wort kommen lassen
- [ ] Dokumentation der Ergebnisse und getroffenen Vereinbarungen
- [ ] Nachgespräch oder Follow-up-Treffen terminieren
- Checkliste: Reflexion von Machtverhältnissen und Gruppenstruktur
- [ ] Aufgaben (Moderation, Protokoll, Awareness) werden regelmäßig neu verteilt?
- [ ] Transparente Entscheidungswege und dokumentierte Absprachen?
- [ ] Alle Mitglieder werden ausreichend informiert?
- [ ] Möglichkeiten für Kritik und Widerspruch ohne Angst vor Sanktionen?
- [ ] Neue Mitglieder werden aktiv eingebunden und unterstützt?
C. Vorlagen für Sitzungen und Gruppenentscheidungen
- Vorlage: Tagesordnung für eine Konflikt-Sitzung
- 1. Begrüßung und Ziel der Sitzung
- 2. Erläuterung der Gesprächsregeln
- 3. Kurze Darstellung des Konflikts (faktenbasiert, keine Schuldzuweisung)
- 4. Persönliche Stellungnahmen der Beteiligten
- 5. Gemeinsames Sammeln von Vorschlägen für die Lösung
- 6. Abstimmung über weitere Schritte
- 7. Vereinbarung von Nachgesprächen und Evaluation
- 8. Abschlussrunde (Feedback zur Sitzung)
- Vorlage: Protokoll einer Konfliktmoderation
- - Datum / Ort:
- - Anwesende:
- - Moderation / Awareness:
- - Konfliktthema:
- - Redebeiträge / Sichtweisen:
- - Vereinbarte Maßnahmen / Lösungswege:
- - Verbleibende Fragen:
- - Termin für Follow-up:
- - Feedbackrunde:
- Vorlage: Anonymer Feedbackbogen
- - Was lief in letzter Zeit gut?
- - Wo gab es Probleme oder unangenehme Situationen?
- - Was sollte in der Gruppe anders laufen?
- - Was wünschst du dir für die Zukunft?
Diese Praxisbeispiele, Checklisten und Vorlagen unterstützen Gruppen dabei, Konflikte transparent, inklusiv und lösungsorientiert zu bearbeiten. Sie können beliebig angepasst und erweitert werden – je nach Größe, Erfahrung und Kultur der jeweiligen Gruppe.
Schlusswort
Die umfassende Erarbeitung, systematische Sammlung und niederschwellige Bereitstellung von Wissen, wie sie durch das as-institut.de in Form dieses Strategiepapiers erfolgt, ist in mehrfacher Hinsicht von zentraler Bedeutung für unsere Gesellschaft. In einer Zeit, in der soziale Spaltungen, Polarisierungstendenzen und Vertrauensverluste in Organisationen, Initiativen und gesellschaftliche Institutionen zunehmen, gewinnt der präventive, reflektierende Umgang mit Konflikten, Macht und Exklusionsmechanismen besondere Relevanz.
Wissenssammlung als Präventionsarbeit
Das as-institut.de erfüllt mit der hier vorgelegten Arbeit eine präventive und zugleich emanzipatorische Funktion: Es bietet nicht nur Orientierung und Unterstützung für unmittelbar Betroffene, sondern schafft auch die Voraussetzungen dafür, dass Gruppen und Gemeinschaften aus Fehlern lernen, ihre Strukturen weiterentwickeln und destruktive Dynamiken frühzeitig erkennen und bearbeiten können.
Durch die differenzierte Darstellung von typischen Konfliktverläufen, juristischen Grundlagen, Handlungsmöglichkeiten und Schutzmechanismen entsteht ein praxisnaher, anwendungsorientierter Wissensspeicher, der Einzelnen und Gruppen gleichermaßen zugutekommt.
Solches Wissen ist kein Selbstzweck, sondern ein Instrument der Stärkung, des Schutzes und der Ermächtigung – gerade für jene, die in klassischen Strukturen wenig Gehör oder Schutz finden.
Gesellschaftliches Engagement schützen und fördern
Die gesellschaftliche Relevanz solcher Arbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zivilgesellschaftliches Engagement, freiwillige Initiativen und selbstverwaltete Gruppen sind das Rückgrat einer demokratischen, offenen und inklusiven Gesellschaft. Sie leisten wertvolle Beiträge zu sozialem Zusammenhalt, politischer Bildung, kultureller Vielfalt und solidarischer Selbsthilfe.
Doch überall dort, wo Menschen zusammenkommen, entstehen auch Konflikte, Machtasymmetrien und die Gefahr von Ausgrenzung. Ohne präventive Wissensvermittlung, ohne transparente Verfahren und ohne Bewusstsein für die eigenen blinden Flecken laufen auch die besten Projekte Gefahr, ihre Prinzipien zu verraten oder in sich selbst zu zerfallen.
Die Arbeit des as-institut.de trägt dazu bei, solche Risiken zu minimieren und die Handlungsfähigkeit von Gruppen langfristig zu sichern. Sie fördert eine Fehlerkultur, in der Kritik, Selbstreflexion und kontinuierliche Verbesserung ausdrücklich erwünscht sind. Sie ermöglicht es, Konflikte nicht als Bedrohung, sondern als Chance zur Weiterentwicklung und zur Stärkung demokratischer Strukturen zu begreifen.
Wissensverfügbarkeit und Zugang als Gemeingut
Die offene Bereitstellung von Wissen – niedrigschwellig, mehrsprachig und für alle zugänglich – ist ein wesentlicher Beitrag zur Demokratisierung von Handlungskompetenz.
Wer Wissen teilt, fördert gesellschaftliche Teilhabe, verhindert Exklusion durch Informationsvorsprung und schafft die Voraussetzungen für eine solidarische, verantwortungsvolle Gemeinschaft.
Gerade marginalisierte Gruppen, ehrenamtlich Engagierte und Menschen mit erschwertem Zugang zu juristischen oder sozialen Ressourcen profitieren von praxisnahen, verständlich aufbereiteten und überprüfbaren Informationen.
Die Arbeit des as-institut.de leistet somit einen Beitrag zur Stärkung der Zivilgesellschaft und zum Schutz demokratischer Grundwerte.
Schützens- und fördernswerte Entwicklung
Die Entwicklung solcher umfassenden Wissenssammlungen, ihre regelmäßige Aktualisierung und die kontinuierliche Reflexion gesellschaftlicher Herausforderungen sind keine Selbstverständlichkeit. Sie erfordern fachliche Expertise, kritische Distanz, methodische Sorgfalt und einen ethisch fundierten Gestaltungswillen.
Diese Arbeit verdient nicht nur gesellschaftliche Anerkennung, sondern auch aktive Förderung durch Politik, Wissenschaft, Stiftungen und zivilgesellschaftliche Akteure. Denn nur so können die notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden, um Forschung, Dokumentation, Fortbildung und Beratung langfristig zu sichern und weiterzuentwickeln.
Ein strategisch aufgestelltes, transparent arbeitendes und in die gesellschaftlichen Debatten eingebundenes Institut wie das as-institut.de ist ein wertvoller Akteur für eine widerstandsfähige, gerechte und zukunftsfähige Demokratie.
Es schützt nicht nur Einzelne vor Willkür, sondern stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt, fördert Innovationen im Umgang mit Konflikten und ermöglicht es, Herausforderungen der Gegenwart mit Zuversicht und Professionalität zu begegnen.
Fazit
Die systematische Aufbereitung und Bereitstellung von Wissen, wie sie in diesen elf Kapiteln beispielhaft vorliegt, ist unverzichtbar für eine lebendige, selbstkritische und solidarische Zivilgesellschaft.
Sie schützt Engagement, ermöglicht Partizipation und ist ein wirksames Mittel gegen Machtmissbrauch, Ausgrenzung und destruktive Dynamik.
Daher ist die Arbeit des as-institut.de als Gemeingut zu begreifen – und als solche zu unterstützen, zu fördern und gegen Gefährdungen zu verteidigen.
Das as-institut.de steht allen Menschen, Gruppen und Organisationen offen, die Unterstützung bei der Bewältigung von Konflikten suchen, Strukturen verbessern oder sich gegen ungerechte Behandlung zur Wehr setzen möchten.
Nur gemeinsam lässt sich eine Gesellschaft gestalten, in der Schutz, Respekt, Transparenz und Solidarität mehr sind als bloße Schlagworte.
Autor: Andre(a) Schmidt – www.as-institut.de – Mai 2025
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